Recap: ABOUT-YOU-Hackathon #1

Für das vergangenen Wochenende hatte ABOUT YOU zum Hackathon ins Betahaus nach Hamburg eingeladen. Neugierig darauf, mit den Machern der Plattform zu sprechen und die Technik kennenzulernen, habe ich mich in den Norden aufgemacht, um mit ca. 40 weiteren Teilnehmern an der Veranstaltung teilzunehmen.

Zu Beginn begrüßte einer der Geschäftsführer, Sebastian Betz, die Anwesenden und erläuterte das Organisatorische des Hackathons. Im Anschluss vermittelte der zweite Geschäftsführer Tarek Müller einen Überblick über die Collins-Philosophie und wie auf dieser Basis die Idee zu ABOUT YOU geboren wurde.

Tarek Müller erläutert die Vision von Collins.
Tarek Müller erläutert die Vision von Collins.

Stereotypisch betrachtet unterscheidet sich männliches von weiblichem Kaufverhalten. Während der eine Teil der Käuferschaft auf direktem Weg ein Produkt sucht und in den Warenkorb legt, lässt sich der andere Teil Zeit beim Einkauf, durchstöbert das Angebot und lässt sich inspirieren. Tarek Müller veranschaulichte das mit einer Folie, die die Bewegungsmuster männlicher und weiblicher Testkäufer im stationären Modehandel zeigte. Das Resultat: Frauen benötigen wesentlich länger für den Einkauf eines bestimmten Artikels, legen jedoch auch mehr Artikel in den Warenkorb. Übertragen auf den E-Commerce müsse also das Ziel sein, die Verweildauer zu erhöhen und Wert auf den Unterhaltungs- und Inspirationsmodus beim Online-Einkauf zu legen, anstatt sich nur auf die übliche zielgerichtete Auswahl über Shop-Kategorien und -Suche zu konzentrieren.

Um das zu erreichen, werde zunächst das Thema Personalisierung vorangetrieben. Im Hinblick auf ABOUT YOU sprach Müller von der Vision eines „Shops der 1000 Gesichter“, der jedem Besucher das auf ihn zugeschnittene Angebot in einer personalisierten Art und Weise zeige. Außerdem biete man mit der ABOUT-YOU-Plattform die Möglichkeit, dass externe Entwickler neue Apps entwickeln, die auf ganz unterschiedliche Weise ebenfalls zum kreativen Stöbern im Angebot einladen. Kein Unternehmen könne in diesem Zusammenhang aus sich selbst heraus dauerhaft innovativ sein, man benötige kreative Ideen von außen, um die gesamte Plattform weiterentwickeln zu können.

App-Ideen

Christian Boettcher von WeGreen stellt seine App-Idee vor.
Christian Boettcher von WeGreen stellt seine App-Idee vor.

Im Anschluss an die Einführung stellten ca. 10 Teilnehmer ihre App-Ideen vor. In einminütigen Pitches wurden Konzepte wie eine Nachhaltigsampel für Kleidung, eine Farb-Beratungsanwendung und eine erweiterte, Shop-übergreifende Wunschzettel-Funktionalität vorgestellt. Danach fanden sich die Teams zusammen und nahmen auf einer offenen Bürofläche mit vielen Tischen, Steckdosen und Flipcharts ihre Arbeit auf. So noch nicht vorhanden, erhielten alle einen Zugang zum Dev-Center und konnten dort auf die APIs samt Dokumentation zugreifen. Schnell entstand eine Stimmung wie in einem gut organisierten Bienenschwarm, die Köpfe wurden zusammengesteckt, Konzepte erarbeitet, Oberflächen gestaltet und Code produziert. Zwischendrin gab es Hilfestellung von den zahlreich anwesenden ABOUT-YOU-Mitarbeitern, die bei der Besprechung der Konzepte unterstützten und technische Fragen lösten. Unter anderem half Christian Kilb, der zuvor in diesem Blog schon Rede und Antwort gestanden hatte, den Anwesenden bei der Bedienung des Dev-Centers und dem Anlegen bzw. Konfigurieren neuer Apps. Außerdem waren die verantwortlichen Programmierer für die unterschiedlichen SDKs vor Ort, sodass Fragen zu API-Anbindung und Datenverarbeitung direkt geklärt werden konnten.

Am zweiten Tag wurden die Ergebnisse der einzelnen Teams präsentiert und vom ABOUT-YOU-Team bewertet. Den ersten Platz belegte dabei die iOS-Applikation Stilreif, die basierend auf Haar- und Augenfarbe der Kunden passende Mode anzeigt. Auf den zweiten Platz kam mit About Colour eine PHP-Anwendung, die Accessoires wie Gürtel und Taschen farblich aufeinander abstimmt. Auf den dritten Platz schaffte es die Nachhaltigsampel von WeGreen, bei der die ABOUT-YOU- und WeGreen-APIs miteinander verbunden wurden. Alle diese Anwendungen werden in der nächsten Zeit im App-Store von ABOUT YOU veröffentlicht, von den übrigen werden einige das Inkubator-Programm zur Weiterentwicklung nutzen.

Technologie

Im Vorfeld hatte ich mich gewundert, warum das Öffnen des Dev-Centers für die breite Entwickler-Öffentlichkeit so zaghaft betrieben wurde und Informationen dazu so spärlich geflossen sind. Wenn man ein wirklich erfolgreiches, offenes Ökosystem schaffen möchte – sowohl der Plattformgedanke als der selbst gewählte Claim „Open Commerce“ implizieren das schließlich – führt der Weg dorthin zwangsläufig über eine transparente, authentische Kommunikation.

Klarheit darüber brachten schon die ersten Gespräche in Hamburg. Den ABOUT-YOU-Machern war bewusst, dass sie von Anfang an unter starker Beobachtung der Mitbewerber stehen und auch über juristische Kanäle in Beschuss genommen werden würden. Zu Beginn war daher eine Closed-Beta-Phase geplant, um mit einem kleineren – vertrauten – Kreis von Entwicklern das Dev-Center testen und weiterentwickeln zu können. Leider wurde das Kind diesbezüglich nicht beim Namen genannt und es herrscht jetzt ein Zustand eines eigentlich offenen Systems, dessen Zugang jedoch nachwievor reglementiert wird.

Die Technologie selbst steht mittlerweile so offen zur Verfügung, wie man sich das als Entwickler überhaupt wünschen kann. Sowohl das PHP- und das Python-SDK wurden schon auf Github veröffentlicht. Beide stehen unter MIT-Lizenz und dürfen damit in beliebiger Art und Weise für kommerzielle und nicht-kommerzielle Zwecke verwendet werden. Weitere SDKs für iOS und Android stehen in den Startlöchern, hier arbeitet das Team vor allem noch an der Dokumentation. Ich selbst habe mir vor allem das PHP-SDK angesehen und werde in einem der nächsten Beiträge noch im Detail darauf eingehen.

Fazit

Im Vorfeld hatte ich ein wenig befürchtet, dass es sich bei dem Hackathon um eine PR-Veranstaltung des Otto-Konzerns handeln würde, der sich mit diesem Format einen coolen und jungen Anstrich verpassen wollte. Glücklicherweise hat sich das nicht bewahrheitet, ganz im Gegenteil: Der Entwickler-Welt hat sich ein Startup präsentiert, das ehrlich neugierig auf die Rückmeldung derjenigen war, die mit der geschaffenen Plattform arbeiten sollen – ein Hackathon als Proof-of-Concept für die eigene Technologie, deren Umsetzung und deren Dokumentation. Dabei überzeugten vor allem Taten: Von den drei Geschäftsführern waren zwei anwesend (der dritte befand sich in den Flitterwochen), die zusammen mit ihren wichtigsten Entwicklern aktiv in den Teams mitarbeiteten, für jeden ansprechbar waren und auch selbst inspiriert wurden – bei aller Kompetenz und Erfahrung befinden sich die Macher immer noch angenehm unarrogant in einer Lernphase.

Positiv überrascht haben mich (und, wie ich erfahren habe, auch die Veranstalter) die Fragen der Teilnehmer nach der Begrüßung und die anschließende Ideen-Präsentation. Hier waren es vor allem die anwesenden Frauen, die mehr über das Geschäftsmodell und die Anwendungsbereiche wissen wollten und die mit ihren App-Ideen die wichtigen Impulse setzen konnten. Diese Apps wurden aus Kundinnen-Sicht konzipiert und waren damit weniger Technologie- als Business-getrieben, was sich in der Folge als der produktivere und kreativere Ansatz erwiesen hat.

Kurzum, der Hackathon war eine E-Commerce-Veranstaltung, die ohne langwierige Prozess- (Logistik-, Zahlungs-)Diskussionen auskam und bei der man sich stattdessen konkret und hands-on um die Umsetzung von Kunden-Apps kümmern konnte. Dazu hat die Veranstaltung per se Spaß gemacht (dieser Zustand stellt sich bei den meisten anderen Veranstaltungsformaten üblicherweise erst nach dem Abschluss-Panel ein).

Man darf sehr gespannt sein, wie sich das ABOUT-YOU-Ökosystem in Zukunft entwickelt, immerhin handelt es sich um ein ehrgeiziges Experiment. Im Onlinehandel gibt es derzeit keine vergleichbare Plattform, sodass es kaum Erfahrungswerte und keine Vergleichsmöglichkeiten gibt. Entscheidend wird sein, wie viele E-Commerce-Ideen in einer ABOUT-YOU-App anstelle eines „klassischen“ Onlineshops münden. Über den Erfolg wird auch die Geschwindigkeit der Verbreitung der Technologie und des „Onboardings“ neuer Entwickler entscheiden – beim Hackathon anwesend war vor allem die Entwickler-Community aus dem erweiterten „Dunstkreis“ der Gründer. Das Wochenende, die Gespräche und das Arbeiten mit der Technologie stimmen mich bezüglich dieser Punkte jedoch sehr zuversichtlich.

Roman Zenner (ShopTechBlog)

Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit E-Commerce-Technologie und gehe hier im Blog der Frage nach, mit welchen Systemen Marken und Händler:innen ihr Online-Geschäft abbilden.

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