Networking: Von den Techies lernen

Aktuell veranstalten wir bekanntermaßen eine Reihe von Veranstaltungen für die wunderbare, große Welt des Onlinehandels. Was uns dabei eigentlich nicht überraschen sollte, es aber trotzdem regelmäßig tut, ist die Tatsache, dass man es mit so unterschiedlichen Menschen zu tun bekommt. Gerade das Thema Motivation zur Vernetzung und Bereitschaft zum Austausch ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Eins scheint jedoch sicher: Je mehr jemand zur Technologie-Szene gehört, desto wahrscheinlicher ist es, dass man einen sehr einfachen Zugang bekommt und sich im Nu austauscht.

Barcamp-Networking

Auf dem E-Commerce-Camp in Jena konnte man es wieder eindrucksvoll sehen: Aus der ganzen Republik reisten die 160 Teilnehmer an, um sich an zwei Tagen zu spontanen Sessions zu treffen und dort ihr Wissen auszutauschen. Dabei ging es vor allem um Technologie-Themen; sei es automatisiertes Testing mit Selenium & Co, das Arbeiten mit der Versionsverwaltung Git oder das Beschleunigen der eigenen Applikation mithilfe von Elasticsearch und Solr: Immer fanden sich genügend Zuhörer, um die Räume der FH Jena während der einstündigen Sessions zu füllen. (Andere, eher strategische Themen wie das von mir vorgebrachte „Die Zukunft des E-Commerce“ sorgten allenfalls für mittelprächtige Begeisterung und eine wenig erhellende Diskussion im Anschluss – ich erwähnte es bereits.) Der Ton ist freundlich-locker, das „Du“ sowieso Pflicht und der gemeinsame Alkoholkonsum … hilfreich.

Von OpenSource gelernt

Das gegenseitige Geben und Nehmen ist der wichtigste Eckpfeiler der OpenSource-Idee: Man hat ein Problem gelöst und stellt diese Lösung öffentlich und kostenlos zur Verfügung. Das sorgt für Bekanntheit in der Community, steigert die Chance, beim nächsten Problem Hilfe eines anderen zu erhalten und trägt mittelfristig auch zum wirtschaftlichen Erfolg bei. In diversen Foren und auf Plattformen wie Stack Overflow kann man diesen reziprok angebotenen Support in freier Wildbahn beobachten. Wer sich ansieht, wie enorm die Community des OpenSource-Shop-Systems Magento besonders in den ersten Jahren nach seiner Veröffentlichung weltweit gewachsen ist, erkennt, welches Potential in dieser Art des konstruktiven Miteinanders liegt.

Die Protagonisten in diesem System sind Entwickler und Technologieaffine, und das aus zwei Gründen (was möglicherweise auch Steve Ballmer seinerzeit zu einer Choreographie ermutigte, die schon längst in die Annalen des transpirierenden Ausdruckstanzes eingegangen ist). Zum einen sorgen sie mit ihren Konzeptionen und Programmcode dafür, dass Technologien überhaupt entstehen und sich weiterentwickeln. Zum anderen – und in unserem Kontext viel wichtiger – sorgen sie auch aktiv für einen Austausch untereinander, schaffen das nötige Klima und kommen in der Gemeinschaft viel schneller voran, als es im Einzelkampf möglich wäre. Und, das sei noch einmal betont, es geht dabei nicht nur um altruistische Motive. Wer sich etwas genauer mit der „Szene“ beschäftigt, sieht eine teilweise deutliche Korrelation zwischen Engagement/Vernetzungsbereitschaft und beruflichem Weiterkommen.

Als Händler vom Austausch profitieren

Wie eingangs erwähnt ist diese Art von Austausch für viele nicht selbstverständlich, ja nahezu beängstigend. Besonders Händler tun sich schwer mit dem Gedanken, ihr mühsam angeeignetes Wissen an jemanden weiterzugeben, der dadurch möglicherweise einen (ungerechtfertigten?) Vorteil erringen und im allerschlimmsten Fall zu einem gefährlichen Konkurrenten werden könnte.

Dabei gibt es sehr gute Gegenbeispiele. Bei unserem Hausbesuchs bei koffer-direkt.de beispielsweise waren ausnahmsweise mal Händler am Zug, haben die für sie relevanten Themen diskutiert und auch aus dem Nähkästchen geplaudert. Ich bin sicher, dass dort auch Kontakte geknüpft wurden, die über den Veranstaltungstag hinausgehen und man damit zumindest ein wenig in die oben beschriebene Form des Austauschs einsteigt.

Technologie verbindet die, die damit täglich umgehen auf eine fast schon erschreckend natürliche Art und Weise. Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die per se nichts mit der Tech-Szene zu tun haben, sich ein wenig von letzterer inspirieren lassen – es lohnt sich.

Roman Zenner (ShopTechBlog)

Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit E-Commerce-Technologie und gehe hier im Blog der Frage nach, mit welchen Systemen Marken und Händler:innen ihr Online-Geschäft abbilden.

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