#WWDC14 – Was kann der Online-Handel von Apple lernen?

Gestern fand zum 25. Mal die jährliche Apple-Entwickler-Konferenz WWDC in San Francisco statt. Im Vorfeld gab es traditionell Spekulationen, was dieses Jahr vorgestellt werden bzw. ob es einen der berühmten „one-more-thing“-Momente geben würde. Und wie jedes Jahr liest man tags darauf eine Menge an Berichterstattung zu den Features und Entwicklungen, die während der zweistündigen Keynote vorgestellt wurden. Was uns in diesem Zusammenhang interessiert ist die Frage, was E-Commerce-Technik von der Ausrichtung bzw. den Vorstößen Apples lernen kann.

Apps und Entwickler

Vor der Keynote wurde ein Video gezeigt, das verschiedene Apps und ihre Einsatzgebiete zeigte. Sei es Luftfahrt oder Meeresforschung, für alle Anwendungen gibt es laut Apple mittlerweile Apps, die Anwender bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen. Apps standen also gleich zu Beginn im Fokus der Keynote – und damit wiederum die technische Plattform, die Apple bereitstellt, um den laut CEO Tim Cook mittlerweile mehr als 9 Millionen zertifizierten App-Entwicklern das Leben zu erleichtern und für sie lukrative Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Der technische Teil nahm dann auch einen signifikanten Teil der Zeit in Anspruch, denn SVP Craig Federighi hatte Einiges bezüglich iOS 8 und des zugehörigen SDKs zu verkünden.

Neue Programmiersprache, neue Entwicklungsumgebung

Denn es galt es nicht nur, weitere APIs oder Erweiterungen der XCode-IDE zu verkünden. Apple präsentierte unter dem Namen Swift eine gänzlich neue Programmiersprache, mit der die Entwicklung nativer Apps vereinfacht werden soll. Swift löst damit das mittlerweile sehr in die Jahre gekommene Objective-C ab und schafft einen neuen Standard, der Konzepte von Programmier- und Scriptsprachen wie Ruby, Python und JavaScript übernimmt. Das Ziel ist es, die Produktivität von Entwicklern aufgrund einer übersichtlicheren Struktur und eines erweiterten Funktionsumfangs zu erhöhen und neuen Entwicklern den Einstieg in die App-Programmierung zu erleichtern. Außerdem soll die Performance von Swift im Vergleich zu Objective-C teilweise um ein Vielfaches besser sein. Entwickelt wird in einer neuen Umgebung namens Playground, in der in Echtzeit die Ergebnisse der eigenen Programmierbemühungen sicht- und testbar werden. Kein Wunder, dass die anwesenden technisch Versierten diesen Schritt frenetisch feierten und bei dem nicht-technischen Publikum, das sich eher neue Hardware erhofft hatte, Verwunderung auslöste.

Ebenfalls sehr positiv wurden die sogenannten Extensions aufgenommen. Dabei handelt es sich um eine neue API, die es Apps erlaubt, miteinander zu kommunizieren bzw. aufeinander aufzubauen. Waren Apps bislang isoliert, können sie nun Daten und Funktionen untereinander austauschen.

Damit erweitern sich nicht nur die Apps selbst exponentiell, sondern bis tief ins System hinein sind plötzlich Dinge möglich, die vorher unter strenger Aufsicht von Apple standen. (Engadget)

Schließlich erhalten Entwickler die Möglichkeit, kleine Preview-Videos zu ihren Apps zu veröffentlichen und damit den Kaufvorgang für die Anwender transparenter zu machen. Last but not least gibt es in Zukunft die Möglichkeit, Beta-Versionen seiner Apps über den App-Store zum Testen anzubieten.

Es braucht nicht viel Phantasie um sich vorzustellen, dass diese Schritte massiv Ressourcen bei Apple gebunden haben. Das Unternehmen investiert massiv in die Weiterentwicklung seines Ökosystems und vollzieht in diesem Zuge mit der Einführung einer komplett neuen Programmiersprache einen der radikalsten Schritte, den man als Plattform-Betreiber überhaupt machen kann.

Mobile first

Eine weitere Erkenntnis des Abends: Apple kümmert sich verstärkt um sein mobiles Ökosystem. Zwar sind die Überarbeitungen von OSX Yosemite attraktiv und besonders, diejenigen, die Apple-Notebooks und iMacs besitzen werden es begrüßen, mittels der neuen Funktion Continuity sämtliche Geräte synchronisieren zu können. Die Verbreitung von OSX jedoch – Tim Cook nannte eine Zahl von 80 Millionen Installationen – ist verschwindend gering im Vergleich zu der Tatsache, dass derzeit auf mehr als 90% der PCs weltweit eine Version von Windows installiert ist. Apple macht seinen Hauptumsatz mit seinen iOS-Geräten und scheint diesen Trend auch konsequent weiter zu verfolgen. Das neue iOS SDK ist  ein starkes Indiz dafür. Auch die beiden App-Container HealthKit und HomeKit, die die Speicherung und Weiterverarbeitung von Gesundheitsdaten bzw. die Steuerung von Haushaltsgeräten ermöglichen, decken vornehmlich mobile Anwendungsfälle ab.

Inspiration

Wie wir bereits diskutiert haben, erkennen Shopsystem-Hersteller zunehmend, wie wichtig der Aufbau und die Pflege des eigenen Ökosystems ist. Im Rahmen der letzten Konferenzen haben sie erkennen lassen, wie radikal sie teilweise ihre Architektur umbauen und versuchen, Beziehungen zu Entwicklern zu festigen und neue Talente an sich zu binden. Aktuelle Projekte wie ABOUT YOU und bepado folgen dem Gedanken, gut dokumentierte, technisch ausgereifte und sich ständig weiterentwickelnde Plattformen bereitzustellen und damit die Schaffung und Umsetzung neuer Ideen für den Online-Handel zumindest teilweise zu externalisieren.

Außerdem bestätigt sich einmal mehr, dass das Thema „mobile“ derzeit ein wichtiger – wenn nicht sogar der wichtigste – Innovationstreiber für Internetanwendungen ist. Auch wenn es mittlerweile wie ein überstrapaziertes Klischee klingt: Apple zeigt, wie das eigene, personalisierte und kontextsensitive mobile Device sukzessive die Bedeutung eines Gatekeepers bzw. Begleiters in den unterschiedlichen Situationen bekommt.

Wem das immer noch zu abstrakt und handelsfern ist, schaue sich den Teil der Keynote noch einmal genau an, in dem mithilfe des neuen Widget-Systems eBay-Auktionen direkt auf dem Lock-Screen angezeigt wurden …

(Bild von nobihaya)

Roman Zenner (ShopTechBlog)

Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit E-Commerce-Technologie und gehe hier im Blog der Frage nach, mit welchen Systemen Marken und Händler:innen ihr Online-Geschäft abbilden.

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