Recap: eCommerceCamp 2015 in Jena

16811213336_f04a7af755_kIn der letzten Woche fand zum dritten mal das eCommerceCamp in Jena statt, das in den vergangenen Jahren so liebevoll von den Organisatoren zusammengebaut wurde und so interessante Köpfe regelmäßig nach Thüringen zieht, dass es mittlerweile schon Kultstatus erreicht hat.

Ich war in diesem Jahr mit dem Team von SPHERE.IO unterwegs und habe ich mich vornehmlich darum gekümmert, die zugehörigen Sessions und das Drumherum entsprechend zu dokumentieren. Im Commercetools-Blog habe ich dazu ein paar Gedanken und Eindrücke aufgeschrieben, an dieser Stelle seien noch ein paar andere Themen erwähnt, die mich in diesem Jahr noch beschäftigt haben.

Äußerst beeindruckend fand ich zunächst die Schlange, die sich links neben der Bühne in kurzer Zeit bildete, als es darum ging, Sessions vorzustellen und die Zustimmung der Anwesenden zu überprüfen. Die unterschiedlichen Themen wurden nicht weniger als 5 (!!) parallelen Tracks zugeordnet und stammten aus den Bereichen Technik, Strategie und Marketing.

Über OpenStack und das perfekte E-Commerce-Hosting-Setup wurde gesprochen, es gab Ausflüge in die Welt von ONGR.IOSpryker und SPHERE.IO , außerdem eine Reihen von Sessions über Deployment, Usability, E-Mail-Marketing und SEO.

Interessant fand ich bereits an dieser Stelle, dass sich die etablierten Shopsysteme wie OXID, Magento und Shopware bei den Sessions zurückhielten bzw. kein Standardprogramm abfeuerten. So präsentierten Ina und Pierluigi von OXID jeweils Sessions zu den Themen „Agile Input Management“ sowie „Inhaltsgetriebene E-Commerce-Systeme“ und lieferten damit relevante, systemunabhängige Beiträge. Vor diesem Hintergrund ist klar: wenn Simonas Šerlinskas zeigt, wie sich das Magento-Frontend durch ONGR.IO ersetzen lässt, Dennis Heidmann die Migration zu Intershop beschreibt und das neue System ausdrücklich lobt, ist das sicherlich kein Aushängeschild für Magento und OXID.

Von Shopware war in diesem Jahr – abgesehen vom Logo auf den Kaffeebechern – nichts zu sehen: Weder war jemand „Offizielles“ vor Ort, noch gab es eine entsprechende Session.

Grundsätzlich sei gesagt, dass auch in diesem Jahr die Organisatoren rund um Joscha Krug und Björn Jacob wieder ganze Arbeit geleistet haben, besonders was das Ausverkaufen der Veranstaltung und das Catering anging. Ärgerlich war in dem Zusammenhang nur, dass es im letzten Jahr der Rosetta-Weltraum-Mission – nachdem die Landeeinheit Philae nach einer zurückgelegten Strecke von mehr als 500 Millionen punktgenau auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko gelandet war, der FH Jena scheinbar immer noch nicht gelingt, stabiles WLAN für alle Teilnehmer einer kleineren Veranstaltung bereitzustellen. (Das muss das oft zitierte „Neuland“ sein: auf der CEBIT in Hannover kostet ein Tag Internet EUR 25,00 und in Jena haben die Beamer eine Auflösung von 640 Pixeln.)

Ganz klar ist, dass das Camp bezogen auf die Teilnehmerzahl an seine Grenzen gekommen ist. Zwar ließen sich bestimmt noch weitere Tracks einrichten und die Veranstaltung damit gewissermaßen horizontal skalieren, es bestünde dann allerdings die Gefahr, dass dadurch das Konzept verwässert wird: Je mehr parallele Sessions stattfinden, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sich Teilnehmer nach der Veranstaltung über die gleichen Vorträge austauschen können. Schon jetzt lässt sich eine inhaltliche Klammer schwer erkennen, da es weder eine Ton-setzende Keynote noch eine passende Abschlussveranstaltung gab.

Unbescheiden, wie es so meine Art ist, hier der Versuch eines Fazits: Die „klassischen“ Shop-Systeme bzw. deren Vertreter gaben sich in Jena zahm, ließen sich genauer gesagt von den „Newcomern“ den Schneid abkaufen. In meiner Conducted-Commerce-Session, in der ich Magento, OXID und Shopware auf „Mambo-Kurt-Status“ zurückstufte und verteilten Systemen, SOA-Ansätzen und gehosteten APIs den klaren Vorzug  gab, entwickelte sich nur der Hauch einer Kontroverse – wie auch während der restlichen zwei Tage. Sicherlich lässt sich einwenden, dass ich durch meine Arbeit für SPHERE gerade eine extrem selektive Wahrnehmung bei diesem Thema habe – aber wenn ich von Die-Hard-On-Premise-Verfechtern auf den Gängen gesagt bekomme, „genau so muss man es machen!“, mache ich mir um meine Objektivität in dieser Sache weniger Sorgen.

Damit ist nicht gesagt, dass sich der Camp-Besuch z.B. für eine klassische Magento-Agentur nicht lohnt, ganz im Gegenteil: nirgendwo sonst in der hiesigen Veranstaltungsszene gibt es die Möglichkeit, Alternativen anzusehen und Grenzfälle zu diskutieren. Meet Magento, die in diesem Jahr nicht stattfindende OXID Commons und der diesjährige Shopware Community Day mögen als Klassentreffen und als Marketing-Manege geeignet sein, echter „interkultureller“ Austausch gehört dort aber nicht zum Konzept.

Ich wünsche mir, dass das Camp über die eigentliche Veranstaltung hinaus zu einer Plattform/Marke für den Austausch all derjenigen wird, die bei ihrer täglichen Arbeit neue, spannende Helper-Technologien einsetzen und ihre Erfahrungen teilen möchten. Denn bei dem Camp ist es letztlich wie beim Tesla: 1x Fahren pro Jahr reicht hinten & vorne nicht 😉

Roman Zenner (ShopTechBlog)

Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit E-Commerce-Technologie und gehe hier im Blog der Frage nach, mit welchen Systemen Marken und Händler:innen ihr Online-Geschäft abbilden.

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