Alexa: Der Besuch der schwerhörigen Dame

Letzte Woche war es soweit: die Neugierde überwog die Skepsis und das kleine Paket mit dem Amazon Echo fand seinen Weg in unseren Haushalt. Die Einrichtung ging schnell von der Hand – erst installiert man die zugehörige App, der Echo baut sein eigenes WLAN auf, worüber man ihn dann konfiguriert, er verbindet sich mit dem heimischen WLAN – und los geht’s.

Die ersten „Gespräche“ waren ermutigend: die Cyber-Stimme aus dem schwarzen Amazon-Puck sagt klar die Uhrzeit, liest die Wettervorhersage der nächsten Tage vor – den Ort hat sie schlauerweise aus meiner Amazon-Versandadresse – und liefert sogar einen Nachrichtenüberblick, der direkt von der Tagesschau kommt. Schnell noch per App mit Spotify verbunden und Alexa spielt meine Playlists. So lässt sich arbeiten, ich träume bereits vom displayfreien Alltag.

Kommunikations-Wirrwarr

Das Bild ändert sich, als die Familie abends vollzählig ist. Frau und Kind sprechen mit dem neuen elektronischen Bewohner in einem sich widersprechenden Befehlsstakkato: „Alexa, erzähl‘ einen Witz“ – „Alexa, stopp“ – „Alexa, spiele WDR2“ – „Alexa leiser“. Schnell ist klar: das permanente Befehl-Erteilen und die Maschinen-Antworten nerven enorm. Ein derartiger Multi-User-Modus mag auf der Brücke des Raumschiffs Enterprise sinnvoll sein, weil alle anwesenden Offiziere vom „Computer“ das genaue Ende der Selbstzerstörungssequenz gleichzeitig erfahren. Im privaten Umfeld ist diese Parallelbeschallung ungleich weniger reizvoll.

„Das habe ich nicht verstanden“

Aber nicht nur das Durcheinander wird schnell zum Problem: der Echo reagiert nur in ca. 3/4 aller Ansagen – oft leuchtet der türkisblaue Ring gar nicht auf und wir wiederholen uns, als ob wir mit einer schwerhörigen Großtante sprechen – oder einem trotzigen Kind, je nachdem. Die Anspannung steigt spürbar, und ich bin mehr als einmal kurz davor, das kleine Voice-UFO – das erstaunlich gut in der Hand liegt – mit Verve an die nächste Wand zu pfeffern.

Und während ich versuche, zum zweiten und dritten Mal „Alexa“ überdeutlich auszusprechen, überkommt mich das ungute Gefühl, dass hier erst einmal der Mensch tüchtig von der Maschine erzogen wird. Hat aber möglicherweise auch was Gutes: ich spreche tendenziell eh zu schnell und dieses Namen-Buchstabieren entschleunigt spürbar.

Ungut, vong Verstehen her

Was mich allerdings am nachhaltigsten überrascht: der Echo ist herzzerreißend einfältig. Die allermeisten Fragen, die uns so durch den Kopf gehen, beantwortet er mit einem „ich bin nicht sicher“. Nur wenn wir uns strikt an das vorgegebene Befehlsmuster halten, haben wir die Chance, eine halbwegs sinnvolle Antwort zu erhalten. Natürlich gibt es die sogenannten Skills, also kleine, App-artige Erweiterungen, mit denen sich der Funktionsumfang des Echo erweitern lässt. Der Haken: mit jedem neuen Skill muss man sich eine neue Syntax merken: „Alexa, frage Deutsche Bahn nach einer Verbindung von Aachen zum Flughafen Köln/Bonn morgen um 13.00h“ liefert tatsächlich gute Ergebnisse, ein lapidares „Alexa, ich muss morgen mit der Bahn zum Flughafen“ ergibt allerdings ein akustisches Schulterzucken. Hier hätte ich mir eine deutlich intuitivere Kommunikation gewünscht.

Blick in die Zukunft

Ich mache mir nichts vor, natürlich werden die Fähigkeiten derartiger Voice-Maschinchen sich schnell weiterentwickeln – wer einmal das erste iPhone in der Hand hatte wird gar nicht glauben können, was für ein vielseitiges und leistungsfähiges kleines Gerätchen die aktuelle Version ist. Alexa, aber auch die Pendants von Apple, Google und Microsoft werden schnell lernen und sich immer natürlicher in die menschliche Kommunikation einfügen. Was bleibt ist nur die Frage, wie man der fast babylonischen Stimmverwirrung Herr wird. Möglicherweise arbeiten zukünftige Generationen von Voice-Assistenten mit einer Spracherkennung, die ein Chaos samt Aggressionsspirale vermeiden hilft.

Mein bestellter Echo ist gerade auf dem Weg zum Amazon-Retourenzentrum. Im Haushalt wird weniger gequatscht, die Technik wird nun wieder konventionell via Display bedient – und 60 EUR sind sommers in Eis eh viel besser investiert.

Roman Zenner (ShopTechBlog)

Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit E-Commerce-Technologie und gehe hier im Blog der Frage nach, mit welchen Systemen Marken und Händler:innen ihr Online-Geschäft abbilden.

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