27. Juli 2024

Der Rummelplatz des Online-Business

Neulich war mal wieder Messezeit: die dmexco öffnete letzte Woche wieder ihre Pforten, um an zwei Tagen über den Marketing-Afficionados und Online-Magiern ein optisch und akustisch wieder einmal bemerkenswertes Feuerwerk abzufeuern. Und ich mittendrin, wenn auch in der eher kleinen, harmonischen und vergleichsweise ruhigen Welt des commercetools-Messestands. Im Vorfeld gab es eine Menge zu tun, über Standdesign, -thema und -besetzung hin zu Vermarktung waren viele Leute im Team damit beschäftigt, sich optimal auf die Veranstaltung vorzubereiten. Das ist meiner Ansicht nach sehr gut gelungen, ganz bescheiden möchte ich sagen: Wir haben Stand B020 gerockt.

Aber: Die dmexco hat mich auch wieder in Rant-Laune gebracht und damit immerhin den positiven Effekt, dass die Funkstille in diesem Blog aufgehoben wird. Sagen wir so: Aus (Fach-)Besucher gingen mir diese zwei Tage spürbar auf den Geist. Wie auf dem Rummelplatz war es bunt, laut, schrill und voll – und dabei gleichzeitig so inhaltsleer wie bei ähnlichen Veranstaltungen der letzten Jahre. Immerhin ist, rechtzeitige Anmeldung vorausgesetzt, die Messe gratis und, genügend Chuzpe, Geduld und ein Bündel falscher Visitenkarten vorausgesetzt, kann man sich zwei Tage lang an den verschiedenen Ständen umsonst verköstigen und unterhalten lassen.

Vor drei Jahren habe ich unter Conference Archaeology bei ecomPunk geschrieben:

If you’re visiting a commerce conference, it’s bound to be the same everywhere. Since decades. Centuries even. Service providers have their booths and their little goodies ready for the masses of potential customers – apparently, being there and providing a valuable service does not suffice.

Im Rückblick war die Neocom – die mir damals den Blutdruck hat steigen lassen – deswegen noch angenehm, weil es vergleichsweise ruhig zuging. Seinerzeit hatte ich nicht das Gefühl, ein GPS zu brauchen um mich durch die Hallen navigieren zu lassen. Letzte Woche jedoch hätte es hingegen nur noch eine „Gewinne Gewinne Gewinnääää“-Durchsage und einen Auto-Scooter gebraucht, und ich hätte Freunde & Familie zu einem lustigen Kirmestag eingeladen.

Natürlich ist das Kritisieren einer Marketing-Messe als überbordende Show-Veranstaltung in etwa so sinnvoll wie sich über die Omnipräsenz von Helene Fischer aufzuregen: Es ist wie es ist. Für Unternehmen gehören solche Veranstaltungen zur jährlichen Sales- und Marketing-Folklore, und solange sich die Investition lohnt (wie immer dieses „lohnen“ letztlich definiert wird) werden wir uns auch weiterhin durch große Messehallen schieben lassen.

Und bei näherer Betrachtung könnte man diesen kleinen Beitrag auch auf einer positiven Note enden lassen: Ist es nicht beruhigend, dass sich Menschen trotz Digitalisierung und weltweiter Vernetzung immer noch am liebsten live unter ihresgleichen tummeln? Am Ende haben Riesenräder und Popcorn womöglich doch mehr Zugkraft als Hangouts und Instagram-Posts.

(Foto: Martin Fisch)

Roman Zenner (ShopTechBlog)

Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit E-Commerce-Technologie und gehe hier im Blog der Frage nach, mit welchen Systemen Marken und Händler:innen ihr Online-Geschäft abbilden.

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