In den letzten Wochen haben mich drei wichtige eCommerce-Veranstaltungen auf Trab gehalten: die Meet Magento in Leipzig, die OXID Commons in Freiburg und schließlich der Shopware Community Day in Ahaus. Über alle drei hatte ich bereits auf ecomPunk.com berichtet (genauer gesagt in Thoughts on Meet Magento 6.12, Next Stop: OXID Commons 2012 und Recap: Shopware Community Day). An dieser Stelle möchte ich mit etwas Abstand mein persönliches Fazit ziehen. Auf vielfachen Wunsch tue ich das an dieser Stelle auf Deutsch.
Abgesehen von den äußeren Bedingungen (vor allem den Locations), auf die ich hier nicht noch einmal eingehen möchte, hatten diese drei Veranstaltungen ein unterschiedliches Publikum und ganz unterschiedliche Schwerpunkte, obwohl die Mission in jedem Fall die gleiche war: ein Anbieter von Shopsoftware präsentiert sich und sein Produkt bzw. seine Produkte und schafft mit diversen Vorträgen Dritter den fachlichen Rahmen dazu.
Meet Magento
Das Publikum der Meet Magento bestand vornehmlich aus erfahrenen und neuen Magento-Entwicklern, die sich klassentreffensgleich in Leipzig eingefunden hatten um sich auszutauschen, auf interessante Ideen und Lösungen gestoßen zu werden und sich bei geisthaltigen und -losen Getränken im besten Sinne zu vernetzen. Entsprechend voll war der Entwickler-Track, entsprechend unzufrieden waren die zahlreichen Aussteller, die kaum in ihrem Sinne verwertbare Leads generieren konnten: es waren einfach zu wenige Schlipsträger unterwegs.
eBay, die Magento vor ungefähr einem Jahr komplett gekauft hatten, versuchte aus diesem Grund auch, die Community im Rahmen der Keynote in den Mittelpunkt zu rücken und die allgemeine Entwickler-Ekstase bezüglich der Software zu zeigen, zu betonen und zu verstärken. Wie bereits erwähnt waren dies aber leider nichts weiter als vor amerikanischer Marketing-Sweetness triefende Lippenbekenntnisse – ein Vorstandsmitglied hat man nicht im Entwickler-Track gesehen, dies wäre eine ganz einfache Geste gewesen. Glaubwürdigkeit erhielt der offizielle Teil nur dadurch, dass der in der Community sehr bekannte und geschätzte Vinai Kopp in seiner neuen Rolle als Magento-Angestellter Informationen zu den neuesten Magento-Entwicklungen vortrug, und ganz unprotokollarisch Magento’s Ex-CTO Yoav Kutner die Bühne betrat.
Strategisch positioniert man Magento als zentralen Bestandteil der X.Commerce-Philosophie: Danach soll eine quelloffene, technische Lingua Franca geschaffen werden, mit deren Hilfe verschiedenste Dienste der Commerce-Welt miteinander kommunizieren können. Je mehr Daten über diese Plattform ausgetauscht werden, desto vielfältiger werden die Möglichkeiten für eBay, diese zu monetarisieren – beispielsweise über seinen Bezahldienst PayPal. Je größer die Basis sowohl der Magento-Installationen als auch der zugehörigen Entwickler ist, so die Logik, desto wahrscheinlicher ist es, dass X.Commerce eine kritische Masse erreicht und ähnlich abhebt wie Magento vor vier Jahren. Es verstärkt sich der Eindruck, dass die Magento-Software per se für die neuen Eigner beim Kauf wesentlich weniger interessant gewesen ist als die Community und das Ökosystem drumherum; Software-Pflege vor diesem Hintergrund bedeutet Beziehungspflege, und mit den vielen alten und neuen Freunden hat eBay sicherlich noch einiges vor.
OXID Commons
Eine wesentlich höhere Schlipsdichte fand sich zwei Tage später bei den OXID Commons. Da man seit 2003 mit kommerziellen Software-Versionen gestartet und 2008 auf den OpenSource-Zug aufgesprungen ist, hat man es auf dieser Konferenz auch mit unterschiedlichen Zielgruppen zu tun. Da sind zum einen die Kunden und Dienstleister der ersten Stunde, die auf Basis des OXID eShop seit mittlerweile knapp 10 Jahren Online-Shops bauen, und die Neuzugänge aus der OpenSource-Szene, die das Produkt für sich entdecken und interessante Initiativen starten, wie beispielsweise das Admin 2.0 als Community-getriebene Variante für das Shop-Backend. Bezüglich der ersten Gruppe kann man bei OXID auf einen Fundus etablierter Showcases zurückgreifen und auf dieser Basis die Betreiber/Entwickler zu Wort kommen lassen.
Vor diesem Hintergrund, auch verstärkt durch die Keynote, präsentiert sich OXID reichlich diffus: man ist zum einen ein etablierter Hersteller kommerzieller Shop-Software, zum anderen pflegt man ein Community-Projekt. Man unterhält ein Partner-Netzwerk, bietet aber mit den neu vorgestellten Professional Services Dienstleistungen im ähnlichen Segment an. Es werden Enterprise-Features vorgestellt, die präsentierten Showcases lassen sich jedoch bestenfalls dem erweiterten Mittelstand zuordnen.
Sicherlich ist Commerce im 2012 eine komplexe Angelegenheit, was CEO Roland Fesenmayr in seiner Keynote und seiner Moderation der letzten Expertenrunde korrekt erkennt und kompetent benennt. Es stellt sich allerdings auf die Frage, ob man als Hersteller auf all diesen Hochzeiten tanzen muss – und vor allem längerfristig und nachhaltig kann. Von Mobile über POS bis hin zu einer Plattform wie eFire: OXID präsentiert einen bunten Blumenstrauß an Leistungen, riskiert aber zusehends, sein Profil zu verlieren.
Shopware Community Day
Das genaue Gegenteil konnte man auf dem Shopware Community Day erleben: Hier wurde das Produkt in den Vordergrund gestellt, Shopware 4 war der erklärte Hauptdarsteller der Veranstaltung. Dementsprechend war die Keynote eine Produktpräsentation erster Güte. In Live-Demonstrationen wurden die neuen Funktionen vorgeführt und Aussagen zu Performance-Steigerungen getroffen. Die Zielgruppe: Shopbetreiber und Menschen, die jeden Tag diese Funktionen nutzen bzw. nutzen werden. Von diesen war eine überdurchschnittlich hohe Anzahl im Publikum vertreten, das mit rund 800 Teilnehmern im Vergleich zu den beiden Veranstaltungen am größten war. Das hatte zum einen die Folge, dass die Dienstleister mir in Gesprächen versichern konnten, bei dieser Veranstaltung die meisten “Opfer” gefunden zu haben; auf der anderen Seite boten sich auch mehr Gelegenheiten zu Gesprächen mit E-Commerce-Basis.
Wenn man davon ausgeht, dass im Enterprise-Umfeld Katalogpflege vornehmlich über Drittsysteme und die Inhaltspflege durch Agenturen erfolgt, wird das gelungene und detailliert präsentierte Shopware-Backend für dieses Segment zweitrangig sein. Zwar hat man auch eine Enterprise- und eine Enterprise-Cluster-Version im Angebot und kann auf größere Installationen verweisen, im Fokus der Veranstaltung befanden sich jedoch eindeutig kleinere und mittlere Anbieter. Die Kernaussage: Wir sind ein gesund wachsender Anbieter einer innovativen Softwarelösung und gießen unser E-Commerce-Know-How in gut dokumentierten und performanten Code.
Das war er also, der Commerce-Frühling 2012. Die Mannschaften: ein amerikanischer, auf Community-Pflege bedachter Online-Dinosaurier mit großen Ambitionen, ein Hersteller qualitativ hochwertiger Software mit zu vielen Visionen und zu wenig Profil aus dem Schwarzwald und ein jung und frech auftretender Software-Produzent mit klarem Fokus und viel Luft nach oben aus dem Münsterland.
Alles entscheidend ist aber – gerade in diesen Wochen – der berühmte 12. Mann: Die Leute in der Commerce-Branche, die ich wiedergetroffen und neu kennengelernt habe, sind die besten, intelligentesten, visionärsten, feierstärksten und schönsten überhaupt – ich freue mich auf den nächsten Frühling!
(Bild: pexels.com)
Entdecke mehr von ShopTechBlog
Subscribe to get the latest posts sent to your email.